Ausgangssituation
Ein Referat einer öffentlichen Behörde, ca. 30 MitarbeiterInnen umfassend, mit drei verschiedenen Sachgebieten, wünscht eine dreitägige Teamentwicklung.
In einem ersten Telefongespräch mit der Referatsleitung werden der Wunsch nach einer besseren Kommunikation und Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sachgebiete, die allgemeine Arbeitszeitgestaltung und die Integration der neuen MitarbeiterInnen ins Referat benannt.
Um die relevanten Themen genauer zu erfassen und die unterschiedlichen Perspektiven der Referatsmitglieder (langjährige und neue Mitarbeitende, SachbearbeiterInnen und MitarbeiterInnnen mit Leitungsfunktion) einzubeziehen, werden Telefoninterviews mit einer für das Referat repräsentativen Auswahl an MitarbeiterInnen geführt. Die Ergebnisse der Telefoninterviews dienen uns zur Vorbereitung der dreitägigen Teamentwicklung und zur Erarbeitung eines passgenauen Workshopdesigns.
Aus den entpersonalisierten Ergebnissen der Telefoninterviews werden folgende relevante Themen und Wünsche deutlich:
- Verbesserung der sachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit
- Ein vertieftes Kennenlernen der neuen und alten MitarbeiterInnen
- Die Frage und Klärung nach dem Rahmen für die individuelle Arbeitszeitgestaltung
- Die Frage, wie dem Wunsch nach Transparenz von Informationen nachgekommen werden kann
- Die Frage, welche Art der Führungskultur im Referat gelebt werden soll, wer für was zuständig ist und wie anfallende Aufgaben verteilt werden
Die Vorarbeit ist getan und nun geht es an die passgenaue Ausgestaltung des Designs. In einem gemeinsamen Arbeitstreffen tauschen wir im Berater-Staff unsere Hypothesen zu den benannten Themen aus, sammeln erste Ideen und erörtern, was in den drei Tagen möglich sein wird und wo damit die Grenzen in unserem Auftrag liegen. Im Fein-Design präzisieren wir anschließend den genauen Ablauf und die einzelnen Interventionen, die unserer Annahmen nach, die gewünschte Wirkung befördern.
Mit dem erarbeiteten Design starten wir in den ersten Tag der Teamentwicklung.
Tag 1: „Kennenlernen und noch intensiveres Kennenlernen“
Wir starten mit Mini-Labs (5erGruppen), in denen sich die MitarbeiterInnen des Referats zu verschiedenen Leitfragen austauschen können, wie z.B. „Was war die größte Herausforderung im letzten Jahr?“ oder „Was wäre hier ein wirklich gutes Ergebnis, was mich im positiven Sinne überraschen würde?“.
Der Grundstein für ein erstes Miteinander ist gelegt und wir stellen die Agenda für die Teamentwicklung vor, sodass jede/r eine Orientierung hat, was in den nächsten drei Tagen passieren wird.
Um für alle deutlich werden zu lassen, welchen Nutzen und welche Impulse sich die Führungskräfte von dieser Teamentwicklung erwarten, führen wir mit diesen dazu ein Interview. Die Teamentwicklung wurde seitens der Referatsleitung initiiert und wollen mit dem Interview transparent machen, was die Erwartungen sind. Wir wählen hierzu die Methode des sogenannten Fishbowls. Dabei sitzt eine Beraterin mit den insgesamt fünf Führungskräften in einem Innenkreis und führt das Interview durch. Im Außenkreis sitzen die MitarbeiterInnen und die zweite Beraterin und hören zu. Nach dem ersten Interview wird getauscht und die MitarbeiterInnen kommen in den Innenkreis. Diese können nun wiederum ihre Gedanken und Resonanzen äußern, zu dem was von den Führungskräften benannt wurde. Durch diese Runde wird klar, dass auch der Wunsch besteht, sich zu den aneinander gerichteten Erwartungen auszutauschen, Vereinbarungen dazu abzuleiten, um somit zu einem besseren gemeinsamen Verständnis der Zusammenarbeit und der Übergabe und Übernahme von Verantwortung zu kommen.
Anschließend findet ein Austausch und ein weiteres sachgebietsübergreifendes Kennenlernen in kleinen Gruppen statt. Jetzt geht es um Fragen wie:
- „Was sind Ihre/Deine Kernaufgaben?“
- „Was macht Ihnen/Dir Spaß?“
- „Wieso tun Sie/tust Du das hier? Was ist Ihre/Deine Identifikation?“
- „Was sind für Sie/Dich die Stolpersteine und Herausforderungen?“
Um deutlich werden zu lassen, wie wichtig und stark das benannte Thema nach einer sachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit tatsächlich ist, werden alle gebeten sich auf einer Linie mit drei verschiedenen Positionen zu der Frage „Wollen und brauchen wir mehr Zusammenarbeit und Austausch zwischen den Sachgebieten?“ zu positionieren. Es gibt die Positionen „Wichtig“ – „Ab und zu schon“ – „Nicht wichtig“.
Nach einigen Statements der unterschiedlichen Positionen gibt es zu alle drei Positionen Arbeitsaufträge.
„Wichtig“ sachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit – „Warum, zu was und wie ist es zu gestalten?“
„Ab und zu schon“ – sachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit „Wann zusätzlich, wann wird es notwendig und wie?“
„Nicht wichtig“ – sachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit „Was ist bereits da und ausreichend?“
Die Vorstellung der Arbeitsergebnisse findet im Plenum statt, ebenso wie auch die anschließende erste Resonanzrunde mit den Leitfragen „Was war neu und überraschend zu hören?“ und „Was ist mir bewusster und klarer geworden in Bezug auf das Thema Zusammenarbeit in Bezug auf den sachgebietsübergreifenden Austausch und damit auf das Ganze?“.
Mit einem noch intensiveren Kennenlernen geht es weiter.
Jede/r erstellt nun ein persönliches „Systemisches Portrait“ mit sich selbst im Mittelpunkt und umgeben von den jeweiligen individuellen Umwelten (z.B. Kollegen, anderen Abteilungen, Familie, Vorgesetzten, Aufgaben, etc.). Es gilt für sich zu erfassen: Welche Erwartungen werden an mich gerichtet? Welche Herausforderungen gilt es in meinem Arbeitskontext zu meistern? Inwiefern stehen die Erwartungen in Konflikt zueinander und inwiefern ergänzen sie sich?
In Bezug auf diese Fragen gehen die WorkshopteilnehmerInnen es dann in 2er Gruppen in den Austausch. Anschließend teilt jede/r im Plenum seine wichtigste Erkenntnis aus dieser Arbeit mit.
Bevor der erste Tag seinen Abschluss findet, werden noch die drei wichtigsten der vier, im Text oben benannten Themen, gerankt. Dazu erhält jede/r TeilnehmerIn zwei Stimmen, die er/sie nach seiner eigenen Gewichtung vergeben kann.
Nach dem erfolgten Ranking, finden sich sachgebietsübergreifende gemischte 5er Gruppen zu einer ersten Einstimmung auf die Themen zusammen. Gegenstand des Austauschs sollen folgende Fragen sein: „Was liegt mir zu den einzelnen Themen am Herzen? Was wäre mir wichtig?“.
Mit der Frage „Wie gehe ich in Bezug auf die Teamentwicklung in den Abend?“ endet der erste Tag.
Der Berater-Staff reflektiert im Anschluss noch, was gut oder auch nicht gut gelungen ist an diesem Tag. Es werden Fragen wie „Wie nehmen wir die Stimmung im Workshop wahr“ oder auch „Wo braucht es im Ablauf für den folgenden Tag eine Anpassung?“ geklärt, um gut vorbereitet in den nächsten Tag zu starten.
Tag 2: „Die relevanten Themen besprechen und bearbeiten – Führen und geführt werden!“
Als Einstieg für den zweiten Tag dient die Übung „Achtsamem Gehen“. Sie sensibilisiert dafür, wie sehr es für ein tägliches Miteinander und eine gute Zusammenarbeit bewusste Aufmerksamkeit braucht, um sich selbst und die anderen gut im Blick zu haben und die jeweiligen anstehenden Aufgaben zu erledigen.
Durch den ersten Tag ist der Boden bereitet, um nun die Bearbeitung der konkreten Themen anzugehen. Wir starten mit dem auf Platz 1 gerankten Thema: „Führen und geführt werden“.
Für die Bearbeitung des Themas haben wir eine Vorgehensweise in drei Schritten gewählt.
1. Schritt:
Die TeilnehmerInnen finden sich jeweils in ihren Sachgebieten als Arbeitsgruppe zusammen und tauschen sich zu den folgenden Fragen aus: „Wie möchten wir MitarbeiterInnen von den Führungskräften geführt werden? – Sowohl inhaltlich als auch sozial.“
Die Führungskräfte bilden eine eigene Arbeitsgruppe und tauschen sich zu der Frage aus: “Welche Erwartungen haben wir Führungskräfte an die MitarbeiterInnen? – Sowohl inhaltlich als auch sozial.“
Die Ergebnisse des Austauschs in jeder Gruppe sollen in Form von Symbolen und Methapern auf einem Flipchartpapier festgehalten werden. Jede Gruppe präsentiert abschließend ihr Bild im Plenum.
2. Schritt:
Die Sachgebietsgruppen bearbeiten folgende Fragestellung:
„Wie möchten wir MitarbeiterInnen von den Führungskräften geführt werden?“
- Was wird bereits gelebt und ist funktional und gut?
- Was irritiert und erleben wir als dysfunktional?
- Wie soll es stattdessen sein?
Das Führungssystem bearbeitet dieselben Fragen bezogen auf ihre Erwartungen an die MitarbeiterInnen.
Die Vorstellung der Ergebnisse des Austauschs erfolgt im Plenum, sodass nach jeder Vorstellung Verständnisfragen gestellt werden können. Eine Diskussion, ob die jeweilige Sichtweise richtig ist, ist nicht zulässig.
In der Vorstellungsrunde werden nun konkrete Wünsche und Erwartungen deutlich. Da Verhalten nicht verordnet werden kann, haben Wünsche und Erwartungen eher einen Appellcharakter und bleiben oftmals im Raum stehen ohne Anschluss im Alltag zu finden. Ob der Wunsch oder die Erwartung erfüllt wird, liegt an demjenigen, an den der Wunsch bzw. die Erwartung gerichtet ist. Um einen Anschluss im Alltag zu ermöglich, gehen wir einen dritten Schritt.
3. Schritt:
Sowohl das Führungssystem, als auch die Sachgebietsgruppen überlegen, wie sie mit den jeweiligen Wünschen umgehen wollen. Die Fragestellung lautet hier: „Was können und wollen wir konkret geben und umsetzen?“.
Die Antworten werden wiederum im Plenum präsentiert und festgehalten. Es wird seitens der Beraterinnen hinterfragt, wie die Dinge genau umgesetzt werden wollen, welche Vereinbarungen sich daraus ableiten lassen und wozu es ein gemeinsames Commitment gibt.
Um auch dem Raum zu geben, was bereits gelebt wird und gut ist, schließt sich eine Würdigung des bereits Vorhandenen an. Es finden sich Gruppen per Losverfahren zusammen und jede Gruppe überlegt für eine der Führungskräfte, was sie an dieser schätzen. Das Führungssystem erhält den Auftrag, für jede/n einzelne/n MitarbeiterIn zu überlegen, was sie an dieser/m schätzen.
Ausgesprochen wird die Wertschätzung im Plenum: Erst richten sich die jeweiligen Gruppen an die jeweilige Führungskraft, dann erfolgt die Würdigung jeder/s Mitarbeiterin/Mitarbeiters durch die Referatsleitung.
Da unserer Ansicht nach Führungskräfte Kulturträger sind und im besonderen Maße als Vorbild fungieren, führen wir mit dem Führungssystem erneut ein Interview im Fischbowl. Das Interview hat folgende Fragen als Schwerpunkte: Wie wird bilanziert? Wann wollen Sie wieder in den Austausch gehen? Wollen Sie diese Kultur des Austauschs fördern?
Wir beenden den zweiten Tag mit einer Resonanzrunde zu der Frage: „Wie zuversichtlich bin ich, dass in der Zukunft etwas erhalten bleibt?“
Das Berater-Staff reflektiert anschließend wieder den Tag, bespricht Anpassungen nach, die während des Tages vorgenommen wurden und spricht den folgenden, dritten Tag durch.
Tag 3: „Die relevanten Themen besprechen. Arbeitszeitgestaltung und Transparenz von Informationen“
Das Thema Arbeitszeitgestaltung war ein Anliegen des Führungssystems. Deshalb werden diese gebeten, Ihr Anliegen am dritten Workshoptag noch einmal deutlich zu machen. Dazu sollen sie sich zu den Fragen „Gemeinsame Zeitpunkte für Austausch? Was ist konkret der Wunsch der Führung und was ist dessen Funktionalität im Arbeitsalltag?“ austauschen und eine inhaltliche Vorlage für den Austausch im Plenum zu erarbeiten. Zeitgleich erarbeiten die einzelnen Sachgebiete, was ihre Perspektiven zu der genannten Fragestellung ist.
Das Führungssystem stellt seine Arbeitsergebnisse den MitarbeiterInnen vor. Anschließend gibt es im Plenum Raum für die MitarbeiterInnen ihre unterschiedlichen Perspektiven und Argumente zu diesem Thema einzubringen. Wieder geht es nicht um Diskussion, sondern darum, die unterschiedlichen Perspektiven unkommentiert deutlich werden zu lassen. Wir, die Berater, nehmen die unterschiedlichen Perspektiven und Argumente auf und visualisieren sie auf Moderationskarten.
Im nächsten Schritt treffen Führungssystem und MitarbeiterInnen Vereinbarungen, auf die sich alle – auch nachfolgend im Arbeitsalltag – berufen können. Fazit für alle ist: Es gibt keine starre Regelung in Form, alle müssen an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit anwesend sein. Dies ist für die MitarbeiterInnen mit ihrem Arbeitszeitmodell nicht vereinbar. Es gibt eine gemeinsame Haltung, bestimmte Zeitslots freizuhalten, so dass hier, so viel wie möglich MitarbeiterInnen anwesend sind, so dass ein gemeinsamer Austausch stattfinden kann. Dies wird in gemeinsamer Verantwortung aller getragen.
Das dritte gerankte Thema ist die Transparenz von Informationen:
Zur Bearbeitung haben wir drei Fragestellung formuliert.
- Was ist transparent und gut?
- Wo braucht es mehr Informationen in Besprechungen?
- Wie und wo kann Information im System bereitgestellt werden? Digital?
Jede/r MitarbeiterIn ordnet sich selbst einer Fragestellung zu, an der er/sie gerne mitarbeiten möchte. Die Arbeitsergebnisse werden im Plenum besprochen und es werden Vereinbarungen dazu getroffen. Außerdem werden Verantwortlichkeiten für die Nachverfolgung der Vereinbarungen nach der Teamentwicklung festgelegt.
Die letzte Intervention, bevor das Teamtraining mit einer abschließenden Resonanzrunde endet, ist die Möglichkeit sich gegenseitig Feedback zu geben. Es wird ein Innen- und ein Außenkreis gebildet. So sitzen sich jeweils zwei Personen gegenüber. Die Personen des Innenkreises geben den Personen im Außenkreis zu folgenden Leitfragen ein Feedback:
- Was schätze ich in der Zusammenarbeit mit Dir?
- Was irritiert oder stört mich in unserer Zusammenarbeit (jetzt oder in der Vergangenheit)?
- Was wünsche ich mir in Zukunft von Dir?
Der Außenkreis hört nur zu. Es stehen zwei Minuten Zeit zur Verfügung. Anschließend wechselt der Innenkreis eine Position nach rechts, sodass eine neue Paarung entsteht.
Die Teamentwicklung endet mit einer Resonanzrunde, die die Frage aufnimmt: „Wenn ich an den Beginn der Teamentwicklung denke, im Vergleich dazu, wie ich jetzt hier am Ende der drei Tage stehe, was möchte ich den anderen in der abschließenden Runde von mir mitteilen?“.
Die Teamentwicklung wurde sowohl von den Führungskräften, wie auch von den MitarbeiterInnen als sehr wertvoll erlebt. Auf der einen Seite war es möglich unterschiedliche Erwartungen auszusprechen, auf der anderen Seite konnte erarbeitet werden, wie das Referat in Zukunft mit den in der Teamentwicklung bearbeitetet Themen umgeht, es konnten konkrete Vereinbarungen getroffen werden. Nach einem Zeitraum von ca. einem Jahr soll erneut eine Teamentwicklung stattfinden, in der gemeinsam bilanziert wird. Wie war die Entwicklung nach dem Workshop? Was konnte man umsetzen und anpassen? Wo gibt es erneut Handlungsbedarf durch Veränderungen, neue Dynamiken und Wechselwirkungen?
Wir freuen uns auf das Follow up und sind gespannt!