„Entwicklung mehrerer Prototypen für ein gemeinschaftliches Wohnen mit individuellem Wohlfühlcharakter“

Öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienunternehmen haben den Auftrag preiswerten bzw. begünstigten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Jedoch beschränkt sich der öffentliche Auftrag nicht ausschließlich auf den Wohnungsbau, sondern umfasst u.a. auch studentische Wohnunterkünfte.

So hat sich die berlinovo das Ziel gesetzt bis 2020 rund 2.800 studentische Wohnplätze zu moderaten Mietpreisen anzubieten. Doch wie sieht das Wohnen für Studenten in der Zukunft aus? Wie kann es preiswert bei steigenden Bau- und Grundstückskosten angeboten werden? Und wie kann ein gutes Zusammenleben zwischen den Studenten gefördert werden?

Diese Fragen sollten im Rahmen eines Workshopverfahrens interdisziplinär mit Architekten, Ökonomen, Studenten und einem Kurator erörtert werden. Ziel des Prozesses war es, wirtschaftlich machbare Prototypen für ein gemeinschaftliches Wohnen mit individuellem Wohlfühlcharakter zu entwickeln, die adaptiv für verschiedene Grundstücktypen realisierbar sind. Herausforderung war, sich von bekannten Dingen zu lösen und möglichst frei zu sein, um etwas Neues zu finden. Ein Suchen auf der leeren Leinwand nach neuen kreativen Ansätzen.

Aufgabe von Schönfeld Unternehmensberatung war es, die Prozessarchitektur mit den Initiatoren von berlinovo zu entwickeln, die einzelnen Workshopdesigns zu erstellen und den Prozess zu moderieren. Als besonders wertvoll für den Prozess hat sich die Entscheidung erwiesen, nach jedem Workshop mit den Initiatoren ein Review durchzuführen. Leitfragen in den Reviews waren: Was konnte im letzten Workshop inhaltlich erarbeitet werden? Was noch nicht oder noch nicht ausreichend? Was gilt es im nächsten Workshop zu beachten, um die jeweilige Zielstellung zu erreichen? Was gilt es auf der sozialen Ebene zu fördern?

Zu erwähnen ist auch, dass es nicht darum ging, wie in einem Wettbewerb Entwürfe auszusortieren, sondern sich gegenseitig Feedback zu geben, um die einzelnen Entwürfe iterativ weiterzuentwickeln.

Folgende Prozessarchitektur und Workshopdesigns haben sich aus der Fragestellung heraus entwickelt:

  • Einstieg in den Prozess war gemeinschaftlich zu sammeln, welche Bedürfnisse Menschen in gemeinschaftlichem Wohnraum haben. Wo und wie wollen Menschen sich abgrenzen? Welche Form und Qualitäten sollen sowohl Gemeinschaftswohnraum, als auch individueller Wohnraum haben, so dass die Bedürfnisse der Bewohner befriedigt werden können?
  • Im zweiten Schritt ging es darum, gemeinsam in Bezug auf studentisches Wohnen zu reflektieren. Welche Größe muss individuelles Wohnen aufweisen? Was wird an „Kompensationsqualitäten“ benötigt, wenn Wohnen nicht individuell in Form eines abgeschlossenen Studentenapartments möglich ist? Wie sieht Studentenwohnen in der Zukunft aus? Werden Studenten in der Zukunft noch herkömmlich mieten oder schließen sie sich eher einer Community an, in der sich z.B. Netzwerkarbeit oder interdisziplinären Lernen etc. App-basiert organisieren lassen?
  • Aus diesem Austausch entstanden die ersten Entwürfe. Es war der gemeinsame Wunsch, mutige Ansätze zu finden und provokative, zukunftsweisende Thesen zu entwickeln, wie studentisches Wohnen in der Zukunft aussehen könnte. Jeder Owner eines Entwurfs stellte diesen vor. Owner war jeweils ein Akteur aus den vier eingeladenen Architekturbüros. Anschließend wurden interdisziplinäre Gruppen gebildet und Feedback gegeben. Dies erfolgte zum einen aus der Rolle des „Teufels Anwalt“. TeilnehmerInnnen, die diese Rolle einnahmen, gaben Rückmeldung zu den Schwächen des Entwurfs und den daraus resultierenden Schwierigkeiten in der Umsetzung. Eine weitere Rolle war die des „lösungsbringenden Engels“. Die TeilnehmerInnen, die diese Rolle einnahmen, entwickelten im Anschluss an das kritische Feedback Ideen für Lösungen, wie die Einwände des „Teufels Anwalt“ gemeistert werden könnten. Außerdem konnten aus dieser Rolle weitere kreative Ideen und Anregungen in Bezug auf den Entwurf eingebracht werden. Es fanden mehrere Runden dieser Art statt, sodass jede/r TeilnehmerIn seinen Entwurf mehrmals vorgestellte und jede/r TeilnehmerIn jede Rolle mehrmals einnahm.
  • Die Herausforderungen, Lösungen und neuen Ideen wurden daraufhin von den Ownern der Entwürfe verarbeitet. Es entstanden die ersten Prototypen in Form von Typologien, Skizzen und Grundrissen, die in analoger Form an großen Pinnwänden präsentiert wurden. Die TeilnehmerInnen waren nun eingeladen sich zu einem der anderen Entwürfe zu begeben. Die Leitfragen waren: Was ist noch nicht oder noch nicht ausreichend berücksichtigt worden? Wo lassen sich Elemente aus anderen Prototypen kreativ einfügen? Die TeilnehmerInnen schrieben und scribbelten ihre Anmerkungen, Ideen, Eindrücke direkt an die Entwurfs-Pinnwände. In dieser Form brachten nun alle Teilnehmenden ihr Feedback zu allen Entwürfen ein. Die Owner der Entwürfe erhielten so wieder neue Ideen und Lösungsansätze.
  • Im nächsten Workshop ging es darum, die Raumgeometrie der Entwürfe in Bezug auf das Individualwohnen zu erfahren. Wir beschlossen gemeinsam mit den Initiatoren die Prototypen modellhaft in einem dafür geeigneten Raum 1:1 nachzubauen. Nur so war es möglich, die Entwürfe räumlich und sinnlich erfahrbar zu machen. Im ersten Schritt ging es für alle Teilnehmenden ausschließlich um das Wahrnehmen der Wohnlichkeit und Behaglichkeit. Im zweiten Schritt wurden die Prototypen bezüglich Funktion, Realisierbarkeit und Kosten hinterfragt und Rückmeldung dazu gegeben. Die Leitfragen waren: Was empfinde ich in Bezug auf die einzelnen Dimensionen als förderlich und was als hinderlich? Auch hier waren die TeilnehmerInnen eingeladen zu den Prototypen der anderen zu reflektieren. Zum Abschluss des Workshops präsentierte jeder Owner das städtebauliche Konzept seines Prototypens anhand eines fiktiven Grundstückes. Hierzu erhielten die Teilnehmenden im Vorhinein ein Factsheet mit den entsprechenden Kennzahlen.
  • Im letzten Workshop ging es darum, die inzwischen ausgefeilten Entwürfe noch einmal zu präsentieren und zu würdigen. Die Owner stellten die Ergebnisse anhand des Factsheets des fiktiven Grundstücks vor. In einer letzten Kleingruppenarbeit gaben die Initiatoren von berlinovo den Ownern eine Rückmeldung anhand der Fragen „Was ist unbedingt zu erhalten und weiter zu verfolgen?“ und „Welche Herausforderungen gibt es zu beachten und zu meistern?“.

Im letzten Workshop waren weitere MitarbeiterInnen und Führungskräfte von berlinovo eingeladen. Sie gaben die Rückmeldung, dass sie beeindruckt wären von den Entwürfen, der hohen Professionalität und der partizipativen Arbeit, die zwischen den Beteiligten stattgefunden hat. So soll im Nachhinein eine Broschüre entstehen, die den Prozess und die Ergebnisse transparent machen.

Die Teams arbeiten dann selbstorganisiert innerhalb der Sprints, führen Daily Scrums durch und wählen nach dem Pull- statt Push-Prinzip aus, wer welche Aufgaben aus den jeweiligen Disziplinen bearbeitet, ohne dass diese fest verteilt sind. Meine Aufgabe wird es sein, den Gesamtprozess zu begleiten und innerhalb der Teams als Scrum Master zu agieren. Das bedeutet Agilität im universitären Kontext.

Für uns BeraterInnen von Schönfeld Unternehmensberatung war es eine große Freude, dass es gelungen ist, mit der Anzahl der gesetzten Workshops neue kreative Ansätze für das zukünftige studentische Wohnen zu finden. Durch die Prozessarchitektur und das Design der einzelnen Workshops war es möglich, ein partizipatives Arbeiten untereinander zu fördern, anstatt Konkurrenzverhalten aufrecht zu erhalten, wie es bei Wettbewerbspräsentation oft der Fall ist.

Es war eine tolle Reise! Herzlichen Dank an die Initiatoren, die diese Art von Prozess möglich gemacht haben und an alle Beteiligten, die sich mit großer Energie und Engagement auf diesen Prozess mit offenem Ausgang eingelassen haben.

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